Frankfurter Rundschau
03. Dezember 2003


SATELLITENNAVIGATION
Mit "Galileo" fährt Europa an seinen ehrgeizigen Zielen vorbei

Von Susanne Härpfer

Mit ihren Plänen für ein eigenes Navigationssystem haben die Europäer eine Schlappe erlitten: Die USA erreichten, dass sie es in Krisenfällen abschalten dürfen.

Das satellitengestützte System der Europäer, "Galileo" genannt, wird auf einer Frequenz arbeiten, die für US-Militärs jederzeit leicht beeinflussbar ist. Ohne Europa zu konsultieren, werden die US-Streitkräfte das System in Krisen- und Konfliktfällen ebenso abschalten können, wie das beim amerikanischen "global positioning system" (gps) schon jetzt geschieht. Das ist das Ergebnis von Gesprächen, die Heinz Hilbrecht, Direktor der Europäischen Kommission für Landverkehr, und seine Verhandlungsgruppe in Den Haag mit US-Vertretern geführt haben.

Doch dieses Zugeständnis ist den US-Amerikanern noch nicht genug. Sie verlangen nun zusätzlich, das offene Galileo-Signal abzuschwächen und qualitativ zu verschlechtern. Hinter dieser Forderung stecken handfeste Industrie-Interessen. US-Firmen überlegen nämlich, eine verbesserte gps-Version gegen Gebühr einzuführen. Das aber würde die wirtschaftliche Nutzbarkeit von Galileo verringern und die kostenpflichtigen Dienste unverkäuflich machen, mit denen das europäische System erst profitabel werden sollte.

Sollten die USA sich auch mit der Forderung nach einem verschlechterten Galileo-Signal durchsetzen, wäre das europäische Projekt, das mit Milliarden-Summen subventioniert wird, wirtschaftlich tot. Ob es so weit kommt, wird sich in der nächsten Verhandlungsrunde im Januar in Washington entscheiden. "Die Amerikaner verlangen jetzt sogar das formale Vetorecht für Galileo", sagt ein Mitglied der Vorbereitungsgruppe des Verhandlungsteams um Hilbrecht.

Bislang haben die USA bei der Satellitennavigation das Monopol. gps, das ursprünglich für die US-Armee entwickelt wurde, ist aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Autofahrer, Segler, Hobbyflieger oder Wanderer orientieren sich an den Daten des Satellitennetzes, um ihre Position zu bestimmen und Ziele zu finden.

Mit dem Slogan, es solle Europa unabhängig von den Amerikanern machen, wurde bisher für das neue Satellitennavigationssystem geworben. Ohne Galileo drohe Europa zum Vasallen Amerikas zu werden, soll Frankreichs Präsident Jacques Chirac gesagt haben. Mit dem Argument der Unabhängigkeit wurden auch die enormen Kosten gerechtfertigt. Mindestens vier Milliarden Euro werde das Projekt verschlingen, so erste Schätzungen. Ob es dabei bleibt, ist ungewiss. Nur die Hälfte der Summe soll von der Industrie aufgebracht werden, der Rest kommt von den Steuerzahlern. Doch auch für sie als spätere Nutzer lohne sich Galileo, versprachen Politiker. Dies stimmt jetzt nicht mehr.

Die Galileo-Befürworter beriefen sich auf eine Studie der Wirtschaftsberatungsgruppe Price Waterhouse Cooper. Die schilderte das Satellitenprojekt in rosigen Farben. Die zu erwartenden Gewinne überstiegen die Kosten und kämen der schwächelnden Wirtschaft zugute. Wie realistisch die Annahmen sind, auf denen diese Prognose fußt, wurde nicht gefragt.

Ursprünglich wollten die Europäer Galileo im selben Frequenzbereich ansiedeln, in dem die Amerikaner das verschlüsselte Signal für das Militär betrieben. Wäre Galileo gestört worden, hätte dies das US-System in Mitleidenschaft gezogen. Das sollte für die Europäer die Garantie der Unabhängigkeit sein - doch von diesem Ansatz ist nichts übrig geblieben.


Susanne Härpfer ist freie Fernseh-Journalistin.