Frankfurter Rundschau
10. Juli 2007


Keine Atomwaffen mehr in Ramstein

von Otfried Nassauer

Das größte Atomwaffenlager der USA in Europa auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz ist wohl leer. In Deutschland gibt es damit nur noch einen Atomwaffenstandort - den Fliegerhorst Büchel - mit dem deutschen Jagdbombergeschwader 33. Das belegt eine neue Dienstvorschrift der US-Luftwaffe in Europa aus dem Januar 2007, auf die Hans Kristensen von der Vereinigung amerikanischer Wissenschaftler (FAS) in Washington jetzt aufmerksam machte.

Die Vorschrift beschreibt, welche Flugplätze mit Nuklearwaffenlagern in Europa in den kommenden Monaten Besuch von amerikanischen Experten für Nuklearwaffensicherheit bekommen. Diese sollen den örtlichen Mannschaften bei der Vorbereitung auf die regelmäßigen Nuklearen Sicherheitsinspektionen (NSI) helfen. Alle bekannten europäischen Nuklearwaffenstandorte sind dort gelistet. Auch Büchel. Ramstein aber fehlt erstmals. Da die regelmäßigen Inspektionen für alle Nuklearstandorte in Europa Pflicht sind, geht Hans Kristensen davon aus, dass in Ramstein keine Nuklearwaffen mehr sind.

Der Luftwaffenstützpunkt "Ramstein Air Base" beherbergt spezielle Lagerstätten für insgesamt 216 nukleare Bomben der Typen B-61-3 und B-61-4. In den Boden der Flugzeugschutzbauten sind 54 so genannte Nuklearwaffengrüfte (vaults) eingelassen, die je vier Atomwaffen aufnehmen können. Etwa 130 Waffen waren dort zuletzt eingelagert. Während der umfangreichen Bauarbeiten auf der Air Base in den vergangenen Jahren - Ramstein hat die Aufgaben der Rhein-Main Air Base in Frankfurt übernommen - wurden die Atomwaffen aus Sicherheitsgründen ausgelagert. Darüber hatte das Nachrichtenmagazin Spiegel berichtet. Vermutet wurde, dass die Waffen nach Abschluss der Bauarbeiten nach Ramstein zurückgebracht würden. Dies ist wohl nicht geschehen.

Der Verzicht der USA auf die Wiedereinlagerung der Waffen in Ramstein ist eine späte Genugtuung für die Mitglieder der früheren rot-grünen Bundesregierung. Deren Verteidigungsminister Peter Struck und der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (beide SPD) äußerten bei einem Besuch der Bauarbeiten 2005 Zweifel an der Notwendigkeit, künftig noch Nuklearwaffen in Deutschland zu lagern.

Auswirkungen hat der Vorgang auch auf die nukleare Rolle des Tornado-Geschwaders in Nörvenich in der Eifel. Sie läuft aus. Die Atomwaffen für Nörvenich lagerten in Ramstein. Die Möglichkeit, Nörvenich wieder zu einem aktiven Nuklearstandort zu machen, wird aufgegeben. Das dortige Geschwader soll in den kommenden Jahren von nuklearfähigen Tornado-Flugzeugen auf den Eurofighter umgerüstet werden. Der Eurofighter aber ist nicht nuklearfähig. In Zukunft gibt es somit nur noch einen aktiven Atomwaffenstandort in Deutschland.

Beim Jagdbombergeschwader 33 in Büchel lagern in elf Atomwaffengrüften weiterhin etwa 20 atomare Bomben. Im Ernstfall sollen sie durch Tornados der deutschen Luftwaffe zum Einsatz gebracht werden. Diese "nukleare Teilhabe" genannte Arbeitsteilung beruht auf Vereinbarungen in der Nato aus Zeiten des Kalten Krieges. Eine amerikanische Wartungs- und Sicherheitsmannschaft ist vor Ort. Jede der Atomwaffen in Büchel hat ein Vielfaches der Zerstörungskraft der Atomsprengsätze, die Hiroshima und Nagasaki zerstörten.

Da die USA nun ihr größtes Lager geräumt haben, wird es für die Bundesregierung schwieriger, den Verbleib atomarer Waffen in Deutschland zu begründen. Viele Experten bezweifeln, dass die Waffen in Deutschland einen nachvollziehbaren militärischen Zweck erfüllen. Abzugsbefürwortern hat die Bundesregierung bislang entgegengehalten, Washington halte an der Stationierung von Atomwaffen in Deutschland auch für die eigenen Streitkräfte fest und Berlin sei in der Pflicht, Solidarität in der Nato zu zeigen. Das erste Argument ist hinfällig. Die Bundesregierung muss begründen, warum sie an der Lagerung atomarer Waffen festhält, wenn die USA dies nicht mehr für nötig halten.


 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS