August 2005


Das Nein aus Teheran

von Otfried Nassauer

Hinweis:
Eine gekürzte Fassung dieses Artikels ist in der Berliner Zeitung erschienen. Diese Version finden Sie hier:
Der Iran hat Recht


Noch deutlicher werden Diplomaten wohl nur bei Kriegserklärungen. Europas Vorschlag im Streit um das Teheraner Atomprogramm sei "extrem lang, wenn es um die Forderungen an den Iran" gehe und "absurd kurz, soweit es die Angebote an den Iran" betreffe. Er sei nicht verhandelbar, "eine Verletzung der iranischen Nation, für die sich die EU entschuldigen muss." Soweit der Iran gegenüber der Internationalen Atomenergie Agentur. Wollten die Iraner den Eklat? Wollten sie mit brüsker Ablehnung provozieren, Stärke demonstrieren? Oder kann es sein, dass der Vorschlag tatsächlich unzureichend war?

Auf 34 Seiten haben London, Paris und Berlin aufgeschrieben, wie sie sich die Eckpunkte für ein "Langzeitabkommen" mit dem Iran vorstellen. Es soll sicherstellen, dass Teheran keine Atomwaffen baut und die Atomenergie nur friedlich nutzen kann. Im Gegenzug versprechen die EU-Staaten dazu beitragen, dass der Iran sich aus der Isolation lösen kann, einen besseren Technologiezugang bekommt und seine Sicherheit auch ohne Rückgriff auf die Bombe gewährleistet sieht.

Klartext fiel den Beamten zum ersten Punkt ein. Der Iran soll endgültig auf alles verzichten, was über den Betrieb von Atomreaktoren zur Stromerzeugung hinausgeht. Das bedeutet das Aus für die Uran-Konversion, die Uran-Anreicherung, die Herstellung von Brennelementen und den geplanten Schwerwasserreaktor in Arak. Der Iran soll vertraglich auf das Recht verzichten, den Atomwaffensperrvertrag zu kündigen. Kein Staat der Erde ist eine solche Verpflichtung zum einseitigen Souveränitätsverzicht bislang eingegangen.

Im Gegenzug wird dem Iran versprochen, dass er Brennelemente kaufen, abgerannte zurückgeben und atomare Technik für seine Reaktoren und andere nicht-nukleare Vorhaben beziehen kann. Europa will die Wirtschaftskooperation und die Aufnahme des Irans in die Welthandelsorganisation fördern. Auch die Sicherheit des Irans will es mit garantieren. Großbritannien und Frankreich geben die politische Zusage, den Iran nicht mit Atomwaffen anzugreifen. Wie bitte? Hegt der Iran diese Befürchtung? Mit Sicherheit kaum. Wenn, dann fürchtet er höchstens einen atomaren Angriff der USA oder Israels oder – wahrscheinlicher noch - einen konventionellen. Dazu sagt das Angebot der Europäer nichts. Weder können diese für Israel und die USA sprechen, noch wollen sie offensichtlich etwas über die eigenen konventionellen Militäroptionen sagen.

Gerade die deutschen Diplomaten hätte ahnen müssen, dass dieses Angebot Israel und den USA gefällt, dem Iran aber nur missfallen konnte. Zwei Schritte hätten genügt, um dies zu erkennen. Beim ersten hätten sich die Berliner Diplomaten in die Rolle des Irans versetzt, und geprüft, ob sie selbst dieses Angebot angenommen hätten, wenn sie für den Iran verhandeln würden. Der zweite Schritt hätte sie in das Archiv des Auswärtigen Amtes geführt. Dort hätten sie festgestellt, mit welch harten Bandagen ihre Vorgänger verhandelten, als es in den 60er Jahren darum ging, das deutsche Atomprogramm und die atomare Sicherheitsgarantie der USA samt nuklearer Teilhabe der Bundeswehr gegen den Atomwaffensperrvertrag zu verteidigen. Beide Schritte hätten gezeigt: Das Angebot an Teheran ist unzureichend. Wäre es der jungen Bundesrepublik in den 60er Jahren unterbreitet worden - sie hätte es zurückgewiesen. Ganz gleich, ob das Atomprogramm der Bonner Republik rein zivil ausgerichtet oder auch mit einem militärischen Hintertürchen ausgestattet war. Eine regionale Mittelmacht verzichtet nicht einseitig auf Souveränität. Der Iran ist eine regionale Mittelmacht.

Deutschland bestand damals auf dem Recht, die Atomtechnik in vollem Umfang zivil zu nutzen zu können – umfassender übrigens, als der Iran es heute will. Und manchmal bleibt Deutschland auch heute noch hart. Der Forschungsreaktor Garching II wird seit 2003 mit hochangereichertem, waffenfähigem Uran betrieben – trotz Atomausstieg, engagierter Nichtverbreitungspolitik und entgegen aller Bitten der USA.


 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS