Wehrtechnische Industriepolitik als Ping Pong
von Otfried Nassauer
Am Anfang sah alles aus wie ein kleines Tischtennismatch.
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hatte den Aufschlag gemacht: Er
forderte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen auf,
„Schlüsseltechnologien“ der Wehrtechnik zu benennen,
die es in Deutschland zu erhalten gelte. Das sei eine wesentliche
Voraussetzung dafür, über die Zukunft dieser Branche, deren
kommende Restrukturierung und über politische Strategien für
europäische Integration in diesem Wirtschaftssektor zu entscheiden.
Die Antwort von der Leyens dürfte Gabriel überrascht
haben. Das BMVg legte nicht - wie erwartet - eine lange Liste
unterschiedlichster Technologiebereiche vor, auf der alles stand, was
die Bundeswehr irgendwie brauchen könnte. Nein, von der Leyen
präsentierte einen äußerst knappen Vorschlag: Eine
Schlüsselrolle komme nur Informationstechnologien für
Aufklärung, Führung, sichere Kommunikation (Kryptologie) und
den Schutztechnologien zu. Über alles andere könne man reden.
Die Ministerin illustrierte ihren Vorschlag mit einem Beispiel, das
auch viele Befürworter in der Sozialdemokratie hat: „Im
EuroHawk ist eine Technologie drin, eine Aufklärungstechnologie
– die brauchen wir in der Zukunft, um unabhängig von anderen
auch Erkenntnisse zu haben. Sie ist fast fertig erforscht. Sie hat den
Labortest bestanden. Sie muss jetzt nur noch den Praxistest in
großer Höhe bestehen.“ Von der Leyen meinte ISIS, ein
signalerfassendes Aufklärungssystem der Firma Airbus, das sie
gerne zu Ende entwickeln und einführen möchte. Die von ihrem
Vorgänger Thomas de Maizière eingemottete Skandaldrohne
EuroHawk müsse wieder flott gemacht werden, um das deutsche
Aufklärungssystem fertigzustellen und später an Bord einer
Weiterentwicklung der Drohne, Triton, zu nutzen.
Auf den ersten Blick: Raus aus den Kartoffeln, rein in die
Kartoffeln! De Maizières Entscheidung fiel demzufolge vorschnell
und soll nun revidiert werden. So wirkt es auf den ersten Blick.
Dahinter steckt jedoch mehr und ein klares Kalkül. Von der Leyen
beantwortete Gabriels Aufschlag mit einem Stoppball kurz hinter das
Netz. Und der streifte auch noch die Netzkante. Ihr Kontrahent bemerkt
also verspätet, wie sehr er sich strecken muss.
Gabriel schien zunächst irritiert und reagierte
amüsiert: In einer Rede zur deutschen Rüstungsexportpolitik
vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik
erlaubte er sich am 8. Oktober einen wohldosierten kleinen Seitenhieb:
Ich begrüße es (...)sehr, dass die
Bundesverteidigungsministerin diese Diskussion nun begonnen und erste
Hinweise mit Blick auf die Festlegung wesentlicher nationaler
Kernkompetenz gegeben hat. Der Deutsche Bundestag und auch die
Bundesregierung werden allerdings zu diskutieren haben, ob die sehr
schmale Festlegung des Verteidigungsministeriums auf
informationstechnische Kernkompetenzen dem Auftrag des
Koalitionsvertrages ausreichend Rechnung trägt.“
In diesem Vertrag - darauf wies Gabriel hin - betrachte die
Koalition „die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie als eine
Schlüsselbranche von nationalem Interesse“, „deren
Kernkompetenzen und industrielle Fähigkeiten weiter entwickelt und
deren Arbeitsplätze erhalten werden sollen.“
Ganz wohl dürfte dem Minister bei dieser Replik nicht
gewesen sein. Denn Ursula von der Leyen hatte ihn geschickt unter Druck
gesetzt. Sie verzichtete einfach darauf, alle klassischen
Leuchtturmprojekte und Renommierprodukte der deutschen
Rüstungsindustrie als Schlüsseltechnologien zu bezeichnen.
Gepanzerte Fahrzeuge, die U-Boote, die Handfeuerwaffen oder auch die
Präzisionskomponenten wie zum Beispiel Munitionszünder, mit
denen deutsche Rüstungsfirmen seit Jahrzehnten prächtig
Geschäfte machen, wann immer es nur genug Exportgenehmigungen gab.
Will von der Leyen auf die Fähigkeit verzichten, solche Produkte
künftig in Deutschland herzustellen? Keineswegs. Sie will, das
sich andere dafür stark machen. Es handelt sich um
arbeitsplatzintensive Bereiche der Wehrtechnik, oft in SPD-regierten
Ländern angesiedelt, über deren Zukunft und Förderung
sie mit ihren Kollegen aus dem Wirtschafts- und Außenministerium
reden will. Diese beiden SPD-Minister haben die Federführung bei
den meisten Rüstungsexportgenehmigungen und von der Leyen
möchte ihre Kollegen im Blick auf die Zukunft der Hersteller in
Mitverantwortung nehmen.
Das BMVg unter von der Leyen zeigt sich bereit, in
künftige Spitzentechnologie zu investieren. In Bereiche, die der
Öffentlichkeit einleuchten. So wie die Kryptologie, die
abhörsichere Kommunikation ermöglichen soll, ein
abhörsicheres Kanzlerinnenhandy zum Beispiel. Wirtschafts- und
Außenministerium dagegen werden indirekt aufgefordert,
öffentlich kontroverse Bereiche zu verantworten, zum Beispiel
ausreichend viele Rüstungsexporte genehmigen, damit die Hersteller
von Rüstungsgütern, die bereits heute technologisch
führend sind, über genug Geld und Gewinne verfügen, um
ihre Verkaufsschlager auch auf eigene Kosten weiter zu entwickeln.
Der deutsche U-Boot-Export kann als Beispiel dienen: Über
Jahrzehnte hat Deutschland diesel-elektrische U-Boote sehr
freizügig exportiert. Die Industrie konnte diese Gewinne nutzen,
um ihre technologische Führungsposition zu wahren und die
Bundeswehr profitierte dann von technologischen Fortschritten, ohne
viel eigenes Geld in die Entwicklung investieren zu müssen. Warum
sollte dieses Vorgehen nicht auf Panzer, Handfeuerwaffen und andere
Bereiche übertragbar sein? So der dahinter stehende Gedanke. In
einem internen Diskussionsentwurf beschrieb das
Verteidigungsministerium schon früh, es gehe ihm bei der
Festlegung von Schlüsseltechnologien um einen – so
wörtlich - „Indikator für das
sicherheitspolitische Votum des BMVg bei Exportfragen“.
Mit anderen Worten: Da, wo Deutschland gut ist, z.B. bei
Panzern und U-Booten, würde das BMVg gerne für viele
Exportgenehmigungen votieren, damit es seine eigenen Gelder auf
Bereiche konzentrieren kann, in denen Deutschland technologisch besser
werden soll. Das seien Bereiche wie Aufklärung oder die
Kryptologie zur Verbesserung der abhörsicheren Kommunikation.
Sigmar Gabriel musste dieser Ansatz ungelegen kommen. Er hat
sich öffentlich für eine restriktivere
Rüstungsexportpolitik ausgesprochen. Bisher lässt er keine
Gelegenheit aus, sich als prinzipientreu darzustellen. Die Industrie
protestiert und droht mit Abwanderung und Arbeitsplatzverlusten.
Würde Gabriel aber künftig verstärkt Genehmigungen
für den Export gepanzerter Fahrzeuge und Handfeuerwaffen erteilen,
die zudem oft von umstrittenen Ländern in Krisenregionen oder von
autokratisch regierten Staaten gekauft werden, so wäre es mit
seiner Glaubwürdigkeit bald nicht mehr weit her. Meinungsforscher
führen seine geringe Beliebtheit ja schon heute vor allem auf sein
Image mangelnder Glaubhaftigkeit zurück.
Mehr noch: Der entscheidende Test auf die Prinzipientreue
Gabriels in Sachen restriktiver Genehmigungspolitik für
Rüstungsexporte steht erst noch bevor: In seinem Ministerium
stapeln sich seit anderthalb Jahren Anträge und Voranfragen
für geplante Exportgeschäfte der Industrie, die noch nicht
entschieden worden sind. Mittlerweile sind es viele Hundert. Das
beschert Gabriel zwar einen statistischen Rückgang bei den
erteilten Exportgenehmigungen, aber zugleich Beschwerden der Industrie,
die in Gabriel ein Geschäftshindernis sieht.
Dabei ist der Minister für diesen Antragsberg nicht
allein verantwortlich. Zu Teilen stammen die liegen gebliebenen
Vorgänge aus der Zeit vor der letzten Bundestagswahl, als die
schwarz-gelbe Koalition nicht weiter heftig Öl ins Feuer der
kontroversen öffentlichen Rüstungsexportdebatte gießen
wollte. Weitere kamen hinzu, weil die Bundesregierung zunächst das
ausstehende Urteil des Bundesverfassungsgerichts abwarten wollte. Und
schließlich vergrößerte sich der Antragsberg auch
noch, weil die Vielzahl der neuen Embargoregeln für den
Außenhandel mit Russland zusätzliche Entscheidungen
erfordlich machten. Ein Mix von Gründen also.
Trotzdem war es ein Anlass für die Industrie, Gabriel
vorzuwerfen, er fungiere als Bremse und wolle eine so restriktive
Rüstungsexportpolitik, dass Arbeitsplätze gefährdet und
die Industrie zur Auswanderung ermutigt werden. Ursula von der Leyen
konnte sich freuen: Sie manövrierte ihren Ministerkollegen mit
wachsendem Erfolg in in die Zwickmühle, die sie aufgestellt hatte.
Dabei halfen auch Bundestagsabgeordnete. Verteidigungs- und
Haushaltsexperten wie Bartholomäus Kalb von der CDU und Gabriels
SPD-Kollege Rainer Arnold vergrößerten den Druck in von der
Leyens Sinn: Sie sprachen davon, es könne nicht nur um
Schlüsseltechnologien, sondern müsse auch um den Erhalt der
Kernfähigkeiten der deutschen Rüstungsindustrie gehen. Dazu
sei sowohl eine Verstärkung der investiven Verteidigungsausgaben
als auch – so besonders die Abgeordneten aus der CDU/CSU -
selbstverständlich eine flankierende Unterstützung durch
Exportgenehmigungen erforderlich.
Politische Unterstützung für zusätzliche
Entwicklungs- und Beschaffungsprojekte für mehr als ein Milliarde
Euro haben beide Koalitionsfraktionen im Verteidigungsausschuss in
diesem Jahr bereits mit Anträgen signalisiert. Das Geld soll
für Projekte genutzt werden, die einem oder beiden
Koalitionspartnern besonders am Herzen liegen: Die Wiederbelebung von
ISIS, den Einstieg in die Entwicklung eines Flug- und
Raketenabwehrsystems, mit dem das Projekt MEADS weitergeführt
werden soll, oder die Entwicklung europäischer Drohnen wurden
befürwortet. Der Haushaltsausschuss brachte durch zusätzliche
Verpflichtungsermächtigungen zum Ausdruck, dass auch er ab 2016
mehr Geld für die Bundeswehr einstellen will, zum Beispiel
für die Beschaffung weiterer Radpanzer vom Typ Boxer.
Mehr als 12 Milliarden würde die Bundeswehr wohl auf
mittlere Sicht zusätzlich benötigen, um auch nur alle
wesentlichen Defizite und Probleme zu beheben, die bislang entstanden
sind. Der Haushalt 2016 soll die Wende bringen. Dann muss die
Bundeswehr aufgrund ihrer vertraglichen Pflichten sowieso beginnen,
Mittel im Umfang mehrerer Milliarden auszuzahlen, die sie in den
vergangenen Jahren nicht abrufen konnten, weil sich Projekte wie das
Transportflugzeug A400M, die Fregatte 125, der Schützenpanzer Puma
oder der Eurofighter bei der Industrie immer weiter verzögerten.
Milliarden flossen an den Finanzminister zurück, weil sie nicht an
die Konzerne abfließen konnten, die noch nicht geliefert hatten.
Der Haushalt muss deshalb künftig für mehrere Jahre angehoben
werden. Ein guter Zeitpunkt – so scheint man im
Verteidigungsministerium zu glauben - um ihn auch insgesamt und
dauerhaft wieder einmal kräftig aufzustocken.
Fehlt also nur noch der Beitrag des Rüstungsexports, um
die Zukunft der wehrtechnischen Industrie zu sichern und ihr eine
Restrukturierung mit erheblichem Kapazitätsabbau zu ersparen,
scheint man im BMVg zu denken. Doch die Zwickmühle, die sich das
Verteidigungsministerium für Gabriel und sein Vorhaben einer
restriktiveren Exportpolitik ausgedacht hat, kann auch auf deren
Erfinder zurückschlagen. Denn im BMVg hat man zwei wichtige
Problembereiche konsequent ausgeblendet, für die man ganz alleine
und ausschließlich verantwortlich ist.
Zum einen gilt für die Bundeswehrplanung noch immer das
Prinzip „Breite vor Tiefe“. Hellmut Königshaus, der
Wehrbeauftragte, erläutert, was damit gemeint ist: “Das
bedeutet, wir können alles, aber wir können es nur für
kurze Zeit.“ Mit anderen Worten: Die Bundeswehr plant so. als
könne sie auch künftig auf keine ihrer Fähigkeiten
verzichten, auch nicht, wenn sie verstärkt multilaterale
Kooperationen in Europa eingeht. Sie will möglichst alle
militärischen Fähigkeitsbereiche aufrechterhalten.
Wer so plant, kann natürlich viel leichter
begründen, warum er auch eine wehrtechnische Industrie braucht,
die möglichst vieles liefern kann. Eine, die ebenfalls breit
aufgestellt ist. Der CDU-Verteidigungsexperte Henning Otte, machte
diesen Punkt samt seiner Schwächen kürzlich deutlich. Er
argumentierte in der Haushaltsdebatte: „Bei der Benennung dieser
Schlüsseltechnologien müssen wir uns wohl breiter aufstellen,
damit wir das Fähigkeitsspektrum für die Bundeswehr auch
erfüllen können. Eine breite Aufstellung mag auf den ersten
Blick vielleicht nicht effizient oder betriebswirtschaftlich logisch
sein. Aber Sicherheitspolitik hat auch mehr als nur mit reiner
Betriebswirtschaftslehre zu tun, sondern ist eben auch Ausdruck von
dem, was wir brauchen, um die Souveränität unseres Landes
abbilden zu können.“ Mit anderen Worten: Steuergelder
dürfen für die Rüstung auch dann ausgegeben werden, wenn
das weder effizient noch betriebswirtschaftlich logisch ist. Die
Aufgabe „Souveränität“ greift als Force Majeure.
Damit kann man immer erklären, dass es natürlich
nicht bei von der Leyens kurzer Liste der Schlüsseltechnologien
bleiben darf, sondern auch um weitere industrielle Kernfähigkeiten
gehen muss. Da das Prinzip „Breite vor Tiefe“ aber aufgrund
der geringen Stückzahlen an Waffen und Geräten, die
dafür erforderlich sind, für die Industrie
betriebswirtschaftlich kaum Sinn macht, muss man die
Rüstungsbranche notfalls nicht nur mit zusätzlichen
Aufträgen fördern, sondern auch Steuergeldern
subventionieren. Man muss mehr Geld in die Hand nehmen, erheblich mehr
Geld. So wie es die Verteidigungspolitiker der Koalitionsfraktionen mit
Blick auf den Haushalt 2016 beabsichtigen. Ergänzend bedarf es
aber zugleich substantieller Rüstungsexporte, damit die Industrie
weiterhin das Prinzip Breite und Tiefe zur Grundlage ihres
Geschäftsmodells machen kann. Denn „Tiefe“ heißt
aus Sicht der Industrie ja ausreichende Stückzahlen,
kapazitätserhaltende oder -erweiternde zusätzliche
Aufträge.
An dieser Stelle greift das zweite Problem: Der im Sommer an
die Beratungsfirma KPMG vergebene Beratungsauftrag zur Durchleuchtung
der Beschaffungsprobleme und –skandale der Bundeswehr
beschränkte sich auftragsgemäß auf die Amtsseite. Es
war nicht Aufgabe der Unternehmensberater, herauszufinden, warum die
Industrie so oft viel zu teuer, viel zu spät und viel schlechter
liefert als geplant. Da die Bundeswehr aber ihr Geld oft gerade deshalb
nicht effizient ausgeben kann, weil massive Probleme in der Industrie
den Mittelabfluss verhindern, wären grade auf diese Fragen klare
Antworten und Erkenntnisse eine Voraussetzung für Besserung. Grade
bei den Rüstungsunternehmen sind gewaltige Veränderungen
erforderlich, wenn die Bundeswehr ihren Rüstungsbedarf endlich
einmal effizient und kostensparend decken sollen könnte.
Auf einem solchen Reformansatz verzichtet das Verteidigungsministerium
jedoch ohne Not. Es geht weder auf Ursachensuche, noch macht es der
Industrie Vorgaben. Mit den Ende November vereinbarten
regelmäßigen Gesprächsrunden zur Verbesserung der
beiderseitigen Zusammenarbeit zwischen dem Lobbyverband der
Rüstungsindustrie, dem BDSV, und dem Ministerium wird es
jedenfalls sicher nicht getan sein.
Das vorrangige Interesse der Industrie gilt sicher nicht
vorrangig einer effizienzorientierten Restrukturierung der
Durchführung von Entwicklungs- und Beschaffungsprojekten, sondern
vor allem zusätzlichen Aufträgen der Bundeswehr und
verbesserten Aussichten auf genehmigungsfähige
Rüstungsexporte. Wachstum und nicht Kapazitätsabbau ist das
Kerninteresse der Rüstungsbranche.
Beide Versäumnisse des Verteidigungsministeriums, also
die mangelnde Durchleuchtung und Reform der Rüstungsbranche und
das Prinzip Breite vor Tiefe laufen auf dieselbe Konsequenz hinaus: Man
will mehr Geld, aber statt auf Kapazitätsabbau in der
wehrtechnischen Industrie setzt man auf Kapazitätsauslastung oder
gar Wachstum. Dazu sollen mehr genehmigungsfähige
Rüstungsaufträge aus dem Ausland beitragen.
Die deutsche Rüstungsindustrie lebt schon heute
überwiegend vom Export. Je nach Hersteller und Produkt werden ihre
Kapazitäten zu 50,70 oder gar 80 Prozent durch Exporte
ausgelastet. In Einzelfällen kann der Prozentsatz zeitweise auf
bis zu 100 Prozent anwachsen. Überwiegend kommen die Käufer
mittlerweile sogar aus Drittländern, also jenen Staaten, die weder
der NATO noch der EU angehören. Der Rüstungsexport-Bericht
der Kirchen hat das kürzlich wieder kritisch angemerkt. „Die
Liefergenehmigungen in Drittländer außerhalb von EU und NATO
sind mit 63,5 Prozent auf einem Rekordhoch.“
Sollen die Rüstungsexporte in umstrittene
Drittländer restriktiver gehandhabt werden, droht die Industrie
gerne mit Kapazitätsabbau oder gar Abwanderung ins Ausland. Ein
heikles Thema, weil dies Arbeitsplätze kosten könnte. Zudem
könnte auch der Anteil jener Rüstungsgüter sinken, mit
denen sich die Bundeswehr bei der heimischen Industrie eindecken kann.
Wird die starke Exportabhängigkeit der
Rüstungsindustrie jedoch durch eine liberalisierte Praxis für
Rüstungsexportgenehmigungen weiter verstärkt, so entstehen
nur weitere, vorrangig exportabhängige Fertigungs- und
Entwicklungskapazitäten. In wirtschaftlichen Krisen oder bei
schwacher Auftragslage folgt dann so sicher wie das Amen in der Kirche
der erneute Ruf nach Erleichterungen für den Rüstungsexport
und dem Abbau restriktiver Exportregeln, die für die deutsche
Industrie angeblich einen Wettbewerbsnachteil darstellen. Industrie und
Wachstum sind und bleiben in einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung
eben ein Pärchen, das zusammenhält wie Pech und Schwefel.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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