Richtiger Schritt aus falschem Anlass
von Otfried Nassauer
Endlich, mochte man denken. Die Bundesregierung stoppt alle
Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien. Es wird keine neuen
Exportgenehmigungen mehr geben und wichtiger noch: Bereits erteilte
Einzelausfuhrgenehmigungen dürfen nicht weiter genutzt werden. Die
erst vor wenigen Monaten genehmigten Artillerieortungsradare sollen
ebenso wenig geliefert werden wie bereits gebaute Patrouillenboote der
Firma Lürssen, bei denen der Verdacht besteht, dass sie auch zur
Blockade des jemenitischen Hafens von Hodeidah eingesetzt wurden, dem
derzeit wichtigsten Anlandehafen für humanitäre Hilfe im
Jemen.
Doch Vorsicht ist angebracht. Außenminister Maaß
sprach kürzlich davon, „derzeit“ seien die
Voraussetzungen für positive Genehmigungsentscheidungen nicht
gegeben, und in der Bundespressekonferenz bemühten sich die
Sprecher der Bundesregierung wiederholt und redlich, nur ja keine
Klarheit aufkommen zu lassen, wie man mit bestehenden
Exportgenehmigungen und den betroffenen Firmen umgehe. Darauf
könne man aus „verfassungsrechtlichen Gründen“
nicht „näher eingehen“.
Anlass für das Umdenken der Bundesregierung ist
erklärtermaßen vor allem die Ermordung des Journalisten
Jamal Khashoggi in Istanbul. Saudi-Arabien soll reinen Tisch machen,
die Tat nachvollziehbar erklären und die Verantwortlichen zur
Rechenschaft ziehen. Und dann, so fragt man sich, gibt es auch wieder
deutsche Rüstungsgüter für den Kriegseinsatz im Jemen?
Genauso so scheint es zu sein. Das Dilemma der deutschen Politik wird
hier sichtbar: Tausende jemenitischer Zivilisten, die seit März
2015 Opfer des von Saudi-Arabien geführten Krieges gegen die
Houthis wurden, haben die Bundesregierung im Verlauf von dreieinhalb
Jahren nicht zu einem völligen Stopp aller Waffenlieferungen an
die Länder veranlasst, die im Jemen interveniert haben. Und jetzt
soll dieser Schritt aufgrund der willkürlichen, brutalen Ermordung
eines einzelnen Journalisten erfolgen.
Das damit verbundene politische Signal ist fatal: Riad muss
die Causa Khashoggi bereinigen, nicht aber den Krieg im Jemen beenden,
wenn es wieder deutsche Rüstungsgüter kaufen will. Die
humanitäre Krise im Jemen darf dagegen weitergehen. Dieser
Eindruck wird weiter verstärkt, da die Bundesregierung gegen das
zweite Land, das im Jemen direkt und aktiv Krieg führt, die
Vereinigten Arabischen Emirate, keinen solchen vollständigen
Lieferstopp verhängt hat.
Das Verdikt bezieht sich nach Angaben des
Wirtschaftsministeriums zudem nur auf Einzelausfuhrgenehmigungen.
Zulieferungen deutscher Firmen für große, internationale
Waffenprojekte wie den Eurofighter, die per Sammelausfuhrgenehmigung
erlaubt wurden, sind scheinbar nicht betroffen. Hier strebt die
Bundesregierung lediglich eine gemeinsame Haltung in der
Europäischen Union an. Die aber dürfte es kaum oder auch nur
vorübergehend geben. Schließlich berichtet der Spiegel, der
Stopp der Genehmigungen und Lieferungen gelte zunächst nur
für zwei Monate. Dann solle im Lichte der aktuellen Entwicklungen
im Fall Khashoggi eine neue Entscheidung getroffen werden.
Vergrößert wird also lediglich der zeitliche Druck auf
Saudi-Arabien, schnell eine zufriedenstellende Erklärung für
den Mord in Istanbul und die dafür Verantwortlichen zu liefern.
Im Jemen kauft die Bundesregierung der von Saudi-Arabien
angeführten Koalition damit politisch mehr Zeit, um den Krieg zu
ihren Bedingungen zu beenden. Bezahlen werden dies jemenitische
Zivilisten – nicht zuletzt mit ihrem Leben.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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