Das Blättchen
Nr. 23 / 06. November 2017


Zwischen Korruption und neuen Fähigkeiten - Israels neue U-Boote

von Otfried Nassauer


Israel wird drei weitere Dolphin-U-Boote erhalten – vorausgesetzt die in diesem Zusammenhang aufgekommenen Korruptionsvorwürfe in Israel erweisen sich als unzutreffend. Darauf haben sich das Kanzleramt, das Außenministerium und das Verteidigungsministerium in Berlin laut eines Spiegel-Berichts im Oktober verständigt. Am 23. Oktober, kurz vor der Konstituierung des neuen Bundestags hat die aus dem Amt scheidende Bundesregierung die bereits länger ausgehandelte Vereinbarung unterzeichnet. Sie sieht einen bereits in den Bundeshaushalt eingestellten Kostenzuschuss aus deutschen Steuergeldern in Höhe von zunächst bis zu 540 Millionen Euro vor.


Neue Boote mit neuen Fähigkeiten

Die drei neuen U-Boote und –überraschend - auch schon das derzeit im Bau befindliche sechste Dolphin-U-Boot sollen mit mehr als 70 Metern Länge noch einmal größer ausfallen als die bisher gelieferten Boote. Sie bekommen eine zusätzliche Bootssektion, die hinter dem Turm und der Kommandozentrale und vor dem Antrieb eingefügt wird. Diese beherbergt ein sogenanntes Vertical Multi-Purpose Lock (VMPL). Das ist eine durckfeste, senkrecht eingebaute Schleuse, die – je nach Mission und Beladung – zu unterschiedlichen Zwecken genutzt werden kann. Während der Messe UDT hat TKMS dieses Konzept am Beispiel eines U-Bootes der Klasse 214 vor einem Jahr in Oslo genauer vorgestellt: Die zusätzliche, kurze Bootssektion hat demnach eine Länge von 2,1 Metern und enthält ein senkrecht eingebautes Rohr großen Durchmessers, das als separate druckfeste und wasserdichte Einheit ausgelegt ist. In diesem Rohr können zusätzliche Treibstoffvorräte gelagert, aber aus ihm auch Spezialkräfte oder autonome Unterwasserfahrzeuge abgesetzt werden. Auch eine revolverartiges Verlegesystem für Seeminen kann dort untergebracht werden. Einer TKMS-Zeichnung (S.19) der Sektion zufolge können außerdem bis zu sieben senkrecht startende Flugkörper zum Beispiel gegen Landziele aus dieser Schleuse abgeschossen werden. Für viele Kunden dürfte das besonders attraktiv sein. Deren Länge ist allerdings begrenzt, denn der Durchmesser der U-Boote der Klasse 214 beträgt nur 6,30 Meter und kann zudem nicht in Gänze für die Flugkörper genutzt werden. Möglich ist theoretisch auch der Einbau mehrerer solcher Schleusensektionen in dasselbe Boot. An welchen Nutzungsmöglichkeiten Israel Interesse hat, ist derzeit öffentlich nicht bekannt. 

Verunsichert, ob Israel durch das VMPL auch erweiterte Fähigkeiten zum Einsatz von nuklear bestückten Flugkörpern erhalten würde, beauftragte die Bundesregierung den Bundesnachrichtendienst mit einem technischen Gutachten. Dessen Ergebnis blieb nach Recherchen der Zeit vage und konstatierte keine grundsätzlich neuen Fähigkeiten. Im Juni 2017 billigte der Bundessicherheitsrat die Lieferung der U-Boote mit veränderter Auslegung.

Die Auslieferung der drei neuen Boote ist für die zweite Hälfte des kommenden Jahrzehnts vorgesehen. Das derzeit im Bau befindliche sechste Dolphin-U-Boot, das als erstes die neue Sektion erhalten soll, dürfte sich durch die recht spät während des Baus noch einmal geänderte Auslegung verzögern. Ursprünglich sollte es 2018 an Israel übergeben werden. Israel bietet dieses Boot die Möglichkeit, im Voraus zu untersuchen und zu erproben, welche neuen operativen Möglichkeiten sich durch das VMPL ergeben und wofür es künftig genutzt werden soll. Neben der größeren Flexibilität beim Einsatz von Spezialkräften dürfte die Möglichkeit autonome Unterwasserfahrzeuge zur Aufklärung oder auch als Waffe zu nutzen in den Blick geraten. Die Bestückung mit Flugkörpern würde die in einem U-Boot mitführbare Bewaffnung erheblich vergrößern. 

Unbekannt ist bislang, ob sich die Bundesregierung auch an den Mehrkosten beteiligt, die durch die zusätzliche Sektion entstehen. Bislang trägt der deutsche Anteil gewöhnlich ein Drittel der Kosten der von U-Booten die für Israel gebaut werden. Zusätzlich unterstützt sie Israel bei der Devisenbeschaffung durch den Kauf von militärischen Dienstleistungen und Rüstungsgütern in Israel, deren Wert ein weiteres Drittel der U-Boot-Kosten ausmacht.


Der Korruptionsvorbehalt

Das Interesse der Bundesregierung an einer Regelung, die jeden Korruptionsverdacht  ausschließt, ist erklärlich. Sie will der deutschen Öffentlichkeit nicht erklären müssen, dass aus deutschen Steuergeldern nicht nur U-Boote für Israel mit bezahlt werden, sondern auch Bestechungsgelderm, die in Israel fließen. Das aber wäre der Fall, wenn es im Zusammenhang mit den Marinegeschäften von TKMS unlautere Zahlungen in Israel geben würde. Es wäre auch der Fall, wenn es solche Geldflüsse im Kontext des Auftrags über vier Korvetten erfolgt wären, die German Naval Yards derzeit in Kiel im Unterauftrag von TKMS für Israel baut. Auch dieses Vorhaben erhält aus deutschen Steuergeldern einen Zuschuss in Höhe von 115 Millionen Euro.

TKMS muss schon seit Jahren um seinen Ruf fürchten. In der Vergangenheit wurden bei Marineaufträgen des Konzerns, die zusammen mit der Ferrostaal AG oder über die Gemeinschaftsfirma MarineForce International (MFI) in London realisiert wurden, nicht nur Korruptionsvorwürfe laut, sondern unlautere Vorgänge auch bereits staatlich sanktioniert. TKMS wurde nach der korruptionsbedingten Trennung von Ferrostaal alleiniger Inhaber von MarineForce International. Deren Nachfolger wurde die bis heute existierende Firma ThyssenKrupp Marine Systems LLP.   

Erste Vorwürfe, dass Michael Ganor, der seit 2009 der Handelsvertreter von TKMS in Israel agierte, den Weg zu Aufträgen für TKMS und lukrativen Millionen-Provisionen für seine Privatschatulle durch unzulässige Zahlungen an Dritte geebnet habe, wurden bereits 2016 laut. Ertappt wechselte er die Seiten und agiert nun als Zeuge der Anklage. Er arbeitet mit den israelischen Ermittlungsbehörden zusammen. TKMS bleibt nur die Hoffnung, dass die eigene Verteidigungslinie hält. Die besagt, der Konzern habe von den Vorgängen in Israel nichts gewußt und tue alles, um bei deren Aufklärung durch staatliche Ermittler zu helfen. Mehr als ein Dutzend Personen kamen inzwischen in Israel vorübergehend zur Befragung in Haft oder Hausarrest. Die Indizien verdichteten sich zu einem offiziellen Ermittlungsverfahren des Generalstaatsanwaltes, dem sogenannten „Case 3000“. 

Sie betreffen etliche Personen aus dem Umfeld von Ministerpräsident Netanjahu, Marineoffiziere und Proteges von Netanjahus Kabinettskollegen Steinitz. Weder Steinitz noch Netanjahu selbst sind Beschuldigte. Gegen Netanjahu wird jedoch seit August auch polizeilich ermittelt. Da sein Büro und Umfeld aktiv daran beteiligt waren, die Beschaffung zusätzlicher U-Boote durchzusetzen, kann nicht ausgeschlossen werden, dass er noch zum Beschuldigten werden könnte. Die Ermittler scheinen sich zunächst auf Vorgänge zu konzentrieren, bei denen Geld aus dem Kontext des deutsch-israelischen Korvettengeschäftes geflossen ist. Für dieses Geschäft sind bereits erste Erfolgsprovisionen in Millionenhöhe gezahlt worden. Beim U-Boot-Geschäft ist das noch nicht der Fall, da über dieses noch kein Kaufvertrag existiert und die Boote auch noch nicht angezahlt wurden.

Ob die von der Bundesregierung in das bilaterale Abkommen mit Israel eingefügte Rücktrittsoption greifen würde, ist unsicher. Es kommt auf die Details der Formulierungen sowohl in dem am 23.10. unterzeichneten MoU als auch in dem vorgesehenen begleitenden Briefwechsel an. Dem Bundestag kann nur geraten werden, sich im Rahmen der Haushaltskontrolle mit dem Wortlaut dieser Texte sobald wie möglich genau vertraut zu machen. 

Trotzdem bleibt schwer vorstellbar, dass Israel die neuen Dolphin-Boote nicht bekäme. Eher wäre zu erwarten, dass aus Gründen der nationalen Sicherheit oder wie es in Berlin gerne heißt „Gründen der Staatsräson“ laufende Ermittlungen niedergeschlagen werden, um die Lieferung der Boote sicher zu stellen. Für die nach israelischen Wünschen konstruierten und für den Einbau israelischer Technik vorbereiteten U-Boote der Dolphin-Klasse wäre zudem – einmal gebaut – kaum noch ein anderer Abnehmer zu finden.


Die „Last Minute-Gemeinsamkeit“ 

Als BundeskanzlerIn haben Gerhard Schröder und Angela Merkel nun eine interessante Gemeinsamkeit mehr. Beide finalisierten den aus dem Bundeshaushalt unterstützten Verkauf für je ein Los deutscher U-Boote an Israel zwischen zwei Legislaturperioden. Die scheidende Bundesregierung ist geschäftsführend noch im Amt, die neue noch nicht vereidigt und der Bundestag nimmt seine Tätigkeit noch nicht wieder in normalem Umfang wahr. Die rot-grüne Bundesregierung unterzeichnete das Regierungsabkommen über das zweite U-Boot-Los für Israel im November 2005, also nach ihrer Abwahl und vor Beginn der ersten großen Koalition. Ähnlich ist es jetzt. Die zweite große Koalition scheidet aus dem Amt und besiegelt zuvor noch schnell das dritte Los U-Boote für Israel. Auf sie folgt höchst wahrscheinlich auch eine Regierung neuer Zusammensetzung. Zwischen Deutschland und Israel existieren eben tatsächlich besondere Beziehungen.  


ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS