Zwischen Korruption und neuen Fähigkeiten - Israels neue U-Boote
von Otfried Nassauer
Israel wird drei weitere Dolphin-U-Boote erhalten –
vorausgesetzt die in diesem Zusammenhang aufgekommenen
Korruptionsvorwürfe in Israel erweisen sich als unzutreffend.
Darauf haben sich das Kanzleramt, das Außenministerium und das
Verteidigungsministerium in Berlin laut eines Spiegel-Berichts
im Oktober verständigt. Am 23. Oktober, kurz vor der
Konstituierung des neuen Bundestags hat die aus dem Amt scheidende
Bundesregierung die bereits länger ausgehandelte Vereinbarung
unterzeichnet. Sie sieht einen bereits in den Bundeshaushalt
eingestellten Kostenzuschuss aus deutschen Steuergeldern in Höhe
von zunächst bis zu 540 Millionen Euro vor.
Neue Boote mit neuen Fähigkeiten
Die drei neuen U-Boote und –überraschend - auch
schon das derzeit im Bau befindliche sechste Dolphin-U-Boot sollen mit
mehr als 70 Metern Länge noch einmal größer ausfallen
als die bisher gelieferten Boote. Sie bekommen eine zusätzliche
Bootssektion, die hinter dem Turm und der Kommandozentrale und vor dem
Antrieb eingefügt wird. Diese beherbergt ein sogenanntes Vertical
Multi-Purpose Lock (VMPL). Das ist eine durckfeste, senkrecht
eingebaute Schleuse, die – je nach Mission und Beladung –
zu unterschiedlichen Zwecken genutzt werden kann. Während der
Messe UDT hat TKMS dieses Konzept am Beispiel eines U-Bootes der Klasse
214 vor einem Jahr in Oslo genauer vorgestellt: Die zusätzliche,
kurze Bootssektion hat demnach eine Länge von 2,1 Metern und
enthält ein senkrecht eingebautes Rohr großen Durchmessers,
das als separate druckfeste und wasserdichte Einheit ausgelegt ist. In
diesem Rohr können zusätzliche Treibstoffvorräte
gelagert, aber aus ihm auch Spezialkräfte oder autonome
Unterwasserfahrzeuge abgesetzt werden. Auch eine revolverartiges
Verlegesystem für Seeminen kann dort untergebracht werden. Einer TKMS-Zeichnung
(S.19) der Sektion zufolge können außerdem bis zu sieben
senkrecht startende Flugkörper zum Beispiel gegen Landziele aus
dieser Schleuse abgeschossen werden. Für viele Kunden dürfte
das besonders attraktiv sein. Deren Länge ist allerdings begrenzt,
denn der Durchmesser der U-Boote der Klasse 214 beträgt nur 6,30
Meter und kann zudem nicht in Gänze für die Flugkörper
genutzt werden. Möglich ist theoretisch auch der Einbau mehrerer
solcher Schleusensektionen in dasselbe Boot. An welchen
Nutzungsmöglichkeiten Israel Interesse hat, ist derzeit
öffentlich nicht bekannt.
Verunsichert, ob Israel durch das VMPL auch erweiterte Fähigkeiten
zum Einsatz von nuklear bestückten Flugkörpern erhalten
würde, beauftragte die Bundesregierung den Bundesnachrichtendienst
mit einem technischen Gutachten. Dessen Ergebnis blieb nach Recherchen
der Zeit
vage und konstatierte keine grundsätzlich neuen Fähigkeiten.
Im Juni 2017 billigte der Bundessicherheitsrat die Lieferung der
U-Boote mit veränderter Auslegung.
Die Auslieferung der drei neuen Boote ist für die zweite
Hälfte des kommenden Jahrzehnts vorgesehen. Das derzeit im Bau
befindliche sechste Dolphin-U-Boot, das als erstes die neue Sektion
erhalten soll, dürfte sich durch die recht spät während
des Baus noch einmal geänderte Auslegung verzögern.
Ursprünglich sollte es 2018 an Israel übergeben werden.
Israel bietet dieses Boot die Möglichkeit, im Voraus zu
untersuchen und zu erproben, welche neuen operativen Möglichkeiten
sich durch das VMPL ergeben und wofür es künftig genutzt
werden soll. Neben der größeren Flexibilität beim
Einsatz von Spezialkräften dürfte die Möglichkeit
autonome Unterwasserfahrzeuge zur Aufklärung oder auch als Waffe
zu nutzen in den Blick geraten. Die Bestückung mit
Flugkörpern würde die in einem U-Boot mitführbare
Bewaffnung erheblich vergrößern.
Unbekannt ist bislang, ob sich die Bundesregierung auch an den
Mehrkosten beteiligt, die durch die zusätzliche Sektion entstehen.
Bislang trägt der deutsche Anteil gewöhnlich ein Drittel der
Kosten der von U-Booten die für Israel gebaut werden.
Zusätzlich unterstützt sie Israel bei der Devisenbeschaffung
durch den Kauf von militärischen Dienstleistungen und
Rüstungsgütern in Israel, deren Wert ein weiteres Drittel der
U-Boot-Kosten ausmacht.
Der Korruptionsvorbehalt
Das Interesse der Bundesregierung an einer Regelung, die jeden
Korruptionsverdacht ausschließt, ist erklärlich. Sie
will der deutschen Öffentlichkeit nicht erklären müssen,
dass aus deutschen Steuergeldern nicht nur U-Boote für Israel mit
bezahlt werden, sondern auch Bestechungsgelderm, die in Israel
fließen. Das aber wäre der Fall, wenn es im Zusammenhang mit
den Marinegeschäften von TKMS unlautere Zahlungen in Israel geben
würde. Es wäre auch der Fall, wenn es solche Geldflüsse
im Kontext des Auftrags über vier Korvetten erfolgt wären,
die German Naval Yards derzeit in Kiel im Unterauftrag von TKMS
für Israel baut. Auch dieses Vorhaben erhält aus deutschen
Steuergeldern einen Zuschuss in Höhe von 115 Millionen Euro.
TKMS muss schon seit Jahren um seinen Ruf fürchten. In der
Vergangenheit wurden bei Marineaufträgen des Konzerns, die
zusammen mit der Ferrostaal AG oder über die Gemeinschaftsfirma
MarineForce International (MFI) in London realisiert wurden, nicht nur
Korruptionsvorwürfe laut, sondern unlautere Vorgänge auch
bereits staatlich sanktioniert. TKMS wurde nach der
korruptionsbedingten Trennung von Ferrostaal alleiniger Inhaber von
MarineForce International. Deren Nachfolger wurde die bis heute
existierende Firma ThyssenKrupp Marine Systems LLP.
Erste Vorwürfe, dass Michael Ganor, der seit 2009 der
Handelsvertreter von TKMS in Israel agierte, den Weg zu Aufträgen
für TKMS und lukrativen Millionen-Provisionen für seine
Privatschatulle durch unzulässige Zahlungen an Dritte geebnet
habe, wurden bereits 2016 laut. Ertappt wechselte er die Seiten und
agiert nun als Zeuge der Anklage. Er arbeitet mit den israelischen
Ermittlungsbehörden zusammen. TKMS bleibt nur die Hoffnung, dass
die eigene Verteidigungslinie hält. Die besagt, der Konzern habe
von den Vorgängen in Israel nichts gewußt und tue alles, um
bei deren Aufklärung durch staatliche Ermittler zu helfen. Mehr
als ein Dutzend Personen kamen inzwischen in Israel vorübergehend
zur Befragung in Haft oder Hausarrest. Die Indizien verdichteten sich
zu einem offiziellen Ermittlungsverfahren des Generalstaatsanwaltes,
dem sogenannten „Case 3000“.
Sie betreffen etliche Personen aus dem Umfeld von
Ministerpräsident Netanjahu, Marineoffiziere und Proteges von
Netanjahus Kabinettskollegen Steinitz. Weder Steinitz noch Netanjahu
selbst sind Beschuldigte. Gegen Netanjahu wird jedoch seit August auch
polizeilich ermittelt. Da sein Büro und Umfeld aktiv daran
beteiligt waren, die Beschaffung zusätzlicher U-Boote
durchzusetzen, kann nicht ausgeschlossen werden, dass er noch zum
Beschuldigten werden könnte. Die Ermittler scheinen sich
zunächst auf Vorgänge zu konzentrieren, bei denen Geld aus
dem Kontext des deutsch-israelischen Korvettengeschäftes geflossen
ist. Für dieses Geschäft sind bereits erste
Erfolgsprovisionen in Millionenhöhe gezahlt worden. Beim
U-Boot-Geschäft ist das noch nicht der Fall, da über dieses
noch kein Kaufvertrag existiert und die Boote auch noch nicht angezahlt
wurden.
Ob die von der Bundesregierung in das bilaterale Abkommen mit
Israel eingefügte Rücktrittsoption greifen würde, ist
unsicher. Es kommt auf die Details der Formulierungen sowohl in dem am
23.10. unterzeichneten MoU als auch in dem vorgesehenen begleitenden
Briefwechsel an. Dem Bundestag kann nur geraten werden, sich im Rahmen
der Haushaltskontrolle mit dem Wortlaut dieser Texte sobald wie
möglich genau vertraut zu machen.
Trotzdem bleibt schwer vorstellbar, dass Israel die neuen
Dolphin-Boote nicht bekäme. Eher wäre zu erwarten, dass aus
Gründen der nationalen Sicherheit oder wie es in Berlin gerne
heißt „Gründen der Staatsräson“ laufende
Ermittlungen niedergeschlagen werden, um die Lieferung der Boote sicher
zu stellen. Für die nach israelischen Wünschen konstruierten
und für den Einbau israelischer Technik vorbereiteten U-Boote der
Dolphin-Klasse wäre zudem – einmal gebaut – kaum noch
ein anderer Abnehmer zu finden.
Die „Last Minute-Gemeinsamkeit“
Als BundeskanzlerIn haben Gerhard Schröder und Angela
Merkel nun eine interessante Gemeinsamkeit mehr. Beide finalisierten
den aus dem Bundeshaushalt unterstützten Verkauf für je ein
Los deutscher U-Boote an Israel zwischen zwei Legislaturperioden. Die
scheidende Bundesregierung ist geschäftsführend noch im Amt,
die neue noch nicht vereidigt und der Bundestag nimmt seine
Tätigkeit noch nicht wieder in normalem Umfang wahr. Die
rot-grüne Bundesregierung unterzeichnete das Regierungsabkommen
über das zweite U-Boot-Los für Israel im November 2005, also
nach ihrer Abwahl und vor Beginn der ersten großen Koalition.
Ähnlich ist es jetzt. Die zweite große Koalition scheidet
aus dem Amt und besiegelt zuvor noch schnell das dritte Los U-Boote
für Israel. Auf sie folgt höchst wahrscheinlich auch eine
Regierung neuer Zusammensetzung. Zwischen Deutschland und Israel
existieren eben tatsächlich besondere Beziehungen.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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