Eurofighter für Wien – oder: ein Geschäft stinkt zum Himmel
von Otfried Nassauer
Hans Peter Doskozil ist Sozialdemokrat, Jurist, ehemaliger
Polizist und seit Januar 2016 Verteidigungsminister in Österreich.
Im Februar dieses Jahres sorgte er für eine faustdicke
Überraschung. Gestützt auf die Ergebnisse einer internen
Untersuchungskommission seines Ministeriums zeigte Doskozil den
Airbus-Konzern und die Projektgesellschaft Eurofighter Jagdflugzeug
GmbH bei der Staatsanwaltschaft Wien an. Beiden wirft er vor,
Österreich beim Kauf von Kampfflugzeugen des Typs Eurofighter
betrogen und um bislang etwa 1,1 Milliarden Euro geschädigt zu
haben. Österreich will Schadensersatz.
Es geht um mehrere neue Vorwürfe: Zum einen sollen Airbus
und die Eurofighter GmbH der Republik Österreich beim Verkauf der
Flugzeuge 2003 wissentlich Leistungen und Auslieferungstermine
versprochen haben, die sie gar nicht einhalten konnten und wollten. Zum
zweiten sollen die Firmen entgegen der Vorgaben in der Ausschreibung im
Vertragspreis Kosten in Höhe von 183,4 Millionen Euro versteckt
haben, mit denen Gegengeschäfte arrangiert werden sollten. Und
schließlich bestehe der Verdacht, dass im Kontext der
Gegengeschäfte viel Geld veruntreut, gewaschen oder in Bestechung
investiert worden sei, damit Österreich die Maschinen
überhaupt kauft. Verteidigungsminister Doskozil wurde deutlich:
„Offensichtlich – und das muss man auch feststellen und
festhalten – sind Gegengeschäfte im militärischen
Bereich, bei Rüstungsgeschäften, bei militärischen
Anschaffungen für einzelne Personen und Berater in diesem Umfeld
sehr dazu geeignet, sich zu bereichern. Ich würde sogar meinen,
Gegengeschäfte sind offensichtlich eine ideale Trägerrakete
für Korruption, Misswirtschaft und Geldwäsche.“
Die Geschichte begann vor rund 15 Jahren: Zu Beginn der 2000er
Jahre wollte Österreich neue Jagdflugzeuge kaufen. Der Auftrag
wurde ausgeschrieben. Drei Modelle kamen in die engere Auswahl: Der
Eurofighter, die amerikanische F-16 und die schwedische Gripen. In
letzter Minute entschied sich die schwarz-blaue Koalition aus ÖVP
und FPÖ 2003 überraschend für das teuerste Angebot, den
Eurofighter. 18 Kampfflugzeuge wurden für knapp zwei Milliarden
Euro bestellt. Österreich wurden Gegengeschäfte im Wert von
rund vier Milliarden Euro zugesagt, deutsche Unternehmen sollten in
diesem Umfang in der Alpenrepublik einkaufen oder investieren.
Schon bald kam der Verdacht auf, das könne nicht mit
rechten Dingen zugegangen sein. Airbus habe mit unzulässigen
Mitteln nachgeholfen und Entscheidungsträgern in Österreich
Vorteile zukommen lassen. 2006 wurde vom Wiener Parlament ein
Untersuchungsausschuss eingesetzt. Der rollte den Prozess der
Kaufentscheidung noch einmal auf. Zu Tage gefördert wurden viele
Indizien, dass Airbus und seine Partner viel Geld in die Hand genommen
hatten, um den Eurofighter an Wien zu verkaufen.
Etwa zeitgleich geriet das Bauprogramm für den
Eurofighter in massiven Zeitverzug. Airbus konnte nicht liefern.
Österreich hätte deshalb vom Kaufvertrag zurücktreten
können. Die mittlerweile von der SPÖ geführte Regierung
unter Kanzler Gusenbauer und Verteidigungsminister Darabos entschied,
von ihrem Rücktrittsrecht keinen Gebrauch zu machen. Darabos
wollte lieber den Preis drücken und weniger Flugzeuge bestellen.
Im Juni 2007 kam ein Kompromiss zustande. Österreich kaufte nur
noch 15 Flugzeuge, akzeptierte die Übernahme von sechs gebrauchten
Maschinen der Bundeswehr und verzichtete gleich ganz auf
leistungsfähigere Eurofighter der Tranche 2. Im Gegenzug gab es
einen Preisnachlass von etwa 250 Millionen Euro. Ein schlechter Deal,
wie Kritiker monierten. Und das Geschäft hatte
„Geschmäckle“. Denn eine Nebenabrede vom 24. Juni 2007
hielt fest: „Es wird davon ausgegangen, dass der
Eurofighter-Untersuchungsausschuss seine Arbeit Ende Juni 2007
beendet.“
Die Wiener Regierung sagte also der Industrie zu, den
unliebsamen parlamentarischen Untersuchungsausschuss mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen binnen sechs Tagen zu beenden und hielt diese
Zusage ein.
Doch wegen der ungewöhnlichen Geldflüsse ermittelten
Staatsanwaltschaften und andere Behörden in Österreich,
Italien, Großbritannien und Deutschland weiter.
Hausdurchsuchungen – unter anderem bei Airbus-Deutschland –
brachten zusätzliche Verdachtsmomente zutage. Peter Pilz,
Grünen-Politiker und Vorsitzender des eingestellten
Untersuchungsausschusses, sammelte kontinuierlich weiter Beweise.
Schließlich richtete das österreichische
Verteidigungsministerium Ende 2012 eine eigene Untersuchungsgruppe in
Sachen Eurofighter ein. Als Hans Peter Doskozil 2016
Verteidigungsminister wurde, ermutigte er diese Gruppe, ihre Ergebnisse
zusammenzufassen und öffentlich zu machen. Der Abgeordnete Pilz
stellte dafür auch seine Unterlagen zur Verfügung. Die
Kommission wertete etwa fünf Terabyte Daten aus. Die Erkenntnisse
führten zu der erwähnten Strafanzeige. Und im März wurde
schließlich ein neuer Eurofighter-Untersuchungsausschuss
eingesetzt.
Airbus hatte sich Anfang des Jahres mit den deutschen
Behörden geeinigt, rund 90 Millionen Euro nachzuversteuern, die
der Konzern zunächst als Betriebsausgaben geltend machen wollte.
Er konnte jedoch nicht nachweisen, dass er dafür adäquate
Gegenleistungen erhalten hatte. Aus Wiener Sicht ein Indiz dafür,
dass diese Summe für illegale Zahlungen verwendet worden sein
könnte.
Pilz sieht weitere Hinweise, die den Korruptionsverdacht
erhärten: „183,4 Millionen Euro sind an dubiosen Zahlungen
in weltweite Briefkastennetzwerke wie Vector Aerospace oder City
Chambers – und dahinter verbergen sich an die 100
Briefkästen – gegangen. Das Geld ist kreuz und quer
über die ganze Welt verschoben worden. […] Dieses
Schmiergeld ist vertragswidrig im Kaufpreis versteckt worden. Die
österreichischen Steuerzahler sind gezwungen worden, sogar das
Schmiergeld noch selbst zu bezahlen.“
Für Airbus und seine Unterstützer in Österreich
entsteht damit eine höchst ungemütliche Situation, die Jahre
anhalten könnte: In Wien klagt der Staat Österreich wegen
Betrugs und arglistiger Täuschung. In mehreren Ländern laufen
Ermittlungen, weil Geld veruntreut, gewaschen oder für
Korruptionszahlungen ausgegeben worden sein soll. Der Wiener
Untersuchungsausschuss wird darüber hinaus untersuchen, wer Airbus
beim Verkauf der Eurofighter geholfen und möglicherweise davon
profitiert hat. Bei der Beweismittelerhebung ergänzen sich all
diese Untersuchungen. Zudem droht Österreich damit, seine
Erkenntnisse auch an britische und amerikanische Ermittler weiter
zugeben. In den USA können Firmen, die sich irgendwo auf der Welt
der Bestechung oder ähnlicher Vergehen schuldig gemacht haben, von
der weiteren Tätigkeit auf dem US-Markt ausgeschlossen werden
– für einen weltweit aktiven Flugzeugbauer wie Airbus eine
gefährliche Drohung.
Der Grünen-Politiker Peter Pilz will sogar noch einen
Schritt weiter gehen. Er will prüfen lassen, ob das Vorgehen der
Firmen juristisch den Tatbestand der organisierten Kriminalität
erfüllt: „Airbus Defence und Eurofighter GmbH erfüllen
mit größter Wahrscheinlichkeit ein weiteres Tatbild,
nämlich das der kriminellen Organisation. Das ist unser
Mafia-Paragraph.“
Bis Juni will das Verteidigungsministerium in Wien eine
Empfehlung erarbeiten, wie die Luftraumüberwachung in
Österreich künftig kostengünstiger organisiert werden
kann und ob die Eurofighter vorzeitig stillgelegt werden sollten. Denn
der Betrieb der Eurofighter hat sich für Wien als extrem teuer
erwiesen. Ersatzteile, Reparaturen und Betrieb sind so kostspielig,
dass das ganze Bundesheer darunter zu leiden hat. Mehr noch: Nach noch
nicht einmal zehn Jahren Eurofighter-Betrieb deutete Airbus an, die als
erstes ausgelieferten Eurofighter der Tranche 1 schon bald nicht mehr
warten zu können. Es gebe nicht mehr alle Ersatzteile.
Auf den weiteren Gang der Ereignisse darf man also gespannt
sein. Mit Österreich legt sich erstmals ein Staat wegen eines
großen Beschaffungsvorhabens mit einem internationalen
Rüstungskonzern juristisch an und wirft der Industrie
Täuschung und Betrug vor. Es droht ein Kräftemessen, dessen
Ausgang interessant und lehrreich werden dürfte. Schließlich
gibt es in Österreich ein Verbandsverantwortlichkeitsgesetz, also
ein Firmenstrafrecht. Die in Deutschland beliebte Möglichkeit,
dass Firmen kriminelles Handeln einzelnen Mitarbeitern in die Schuhe
schieben, greift in Österreich nicht. Neben Personen können
in Wien auch Firmen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.
Und das geschieht. Die Staatsanwaltschaft Wien hat mittlerweile
bestätigt, dass sie auch gegen den Konzernchef von Airbus, Thomas
Enders, Ermittlungen führt. Das dürfte für Deutschland
ebenfalls ein lehrreiches Beispiel werden.
Dieser Text ist eine leicht
modifizierte Version des Beitrages unseres Autors für die Ausgabe
der Senderreihe „Streitkräfte und Strategien“
auf NDR-Info am 23. April 2017.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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